Hintergrundinformationen

Im Folgenden finden Sie Hintergrundinformationen zu Jugendlichen und Glücksspiel, von rechtlichen Rahmenbedingungen bis zu weiterführende Informationen, Adressen und Links. In den PDF-Dokumenten wird analog zu der Ausgabe 3/2016 der Fachzeitschrift proJugend speziell auf Sportwetten und deren Bedeutung in verschiedenen Kontexten eingegangen.

Einleitung   

Glücksspiele und Sportwetten sind „In“ und werden effektiv von Vorbildern wie Boris Becker und Oliver Kahn beworben. Das Internet ist voller Pop-Ups, die den Kunden zu virtuellen Casinos locken. Die Spielhallen sprießen wie die Pilze aus dem Boden. Jugendliche, die sich Geldgewinne erhoffen, risikofreudig sind und Zerstreuung suchen, lassen sich von den allgegenwärtigen Angeboten leicht verführen. Glücksspiele bergen aber neben dem Risiko Geld zu verlieren auch ein erhebliches Sucht- und Betrugspotential. Oft ist dies den Jugendlichen nicht bewusst.

Glücksspiele können spannende und auch entspannende Unterhaltungsmöglichkeiten sein. Bei manchen Spielern/Spielerinnen führen Glücksspiele aber zu problematischem und pathologischem Spielverhalten. Die Übergänge hierbei sind meist fließend. Eine etablierte Glücksspielsucht ist genauso schädigend für die Betroffenen und deren Umfeld wie stoffgebundene Süchte. Die Bedingungen und Mechanismen, die pathologisches Glücksspiel fördern, sind ebenso in der Umwelt (v.a. Vorbilder und Strukturen in Familie, Peergroup, Schule/Ausbildung), in dem Medium (Verfügbarkeit und Suchtpotential der Angebote), als auch in personenbezogenen Faktoren (wie momentane Belastungen, soziale Kompetenzen, Selbstwert und Selbstwirksamkeit) zu suchen.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Der Staatsvertrag zum Glücksspielwesen (Erster GlüÄndStV) in Deutschland definiert Glücksspiel folgendermaßen (§ 3):

Ein Glücksspiel liegt vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Die Entscheidung über den Gewinn hängt in jedem Fall vom Zufall ab, wenn dafür der ungewisse Eintritt oder Ausgang zukünftiger Ereignisse maßgeblich ist.

Auch Wetten gegen Entgelt auf den Eintritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses sind Glücksspiele.

Ziele des Staatsvertrages (§ 1) sind gleichrangig

  1. das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen,
  2. durch ein begrenztes, eine geeignete Alternative zum nicht erlaubten Glücksspiel darstellendes Glücksspielangebot den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken sowie der Entwicklung und Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen in Schwarzmärkten entgegenzuwirken,
  3. den Jugend- und den Spielerschutz zu gewährleisten,
  4. sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt, die Spieler vor betrügerischen Machenschaften geschützt und die mit Glücksspielen verbundene Folge und Begleitkriminalität abgewehrt werden und
  5. Gefahren für die Integrität des sportlichen Wettbewerbs beim Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten vorzubeugen.
    Um diese Ziele zu erreichen, sind differenzierte Maßnahmen für die einzelnen Glücksspielformen vorgesehen, um deren spezifischen Sucht-, Betrugs-, Manipulations- und Kriminalitätsgefährdungspotentialen Rechnung zu tragen.


Jugendschutz
Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren ist laut Glücksspielstaatsvertrag und Jugendschutzgesetz (§ 6) die Teilnahme an Glücksspielen untersagt. Ebenso ist das Spielen an gewerblichen Geldspielautomaten in Spielhallen und gastronomischen Betrieben erst ab 18 Jahren gestattet. Allerdings kann gerade bei gewerblichen Geldspielautomaten und bei Glücksspielen im Internet (bei denen sich die Anbieter nicht immer in Deutschland verorten) nicht immer davon ausgegangen werden, dass diese Regelungen eingehalten werden. Auch werden Glücksspiele privat und somit illegal organisiert.

Spielteilnahme Jugendlicher

Bezogen auf Deutschland weist die Mehrheit aller Jugendlichen Erfahrungen mit Glücksspielen auf. Angaben zur Lebenszeitprävalenz bewegen sich zwischen 62% und 82%. Gerade im Jugendalter besteht die Gefahr, zumindest zeitweise die Kontrolle über das Spielverhalten zu verlieren. 6% aller Jugendlichen sind von glücksspielbezogenen Belastungen betroffen. Dabei liegt der Anteil der Problemspieler/innen zwischen 1,3% und 3%, der Anteil der Risikospieler wird studienübergreifend auf ca. 3,5% beziffert (vgl. Brosowski & Hayer, 2014 (1)).

Als bevorzugte Spielorte bei Jugendlichen führen derzeit Wettannahmestellen die Rangreihe der favorisierten Anlaufstellen für Glücksspiel an. Zudem gibt es eine Verlagerung von Glücksspiel- und Wettaktivitäten ins Internet, gerade dort werden Jugendliche mit zahlreichen verlockenden Werbebotschaften konfrontiert und Jugendschutzbestimmungen können besonders leicht umgangen werden. In diesem Zusammenhang wird die Notwendigkeit von präventiven bzw. erzieherischen Maßnahmen des Jugendschutzes deutlich.

Mitglieder von Sportvereinen beteiligen sich signifikant häufiger als die Allgemeinbevölkerung an Sportwetten und weisen ebenfalls häufiger ein problematisches oder pathologisches Glücksspielverhalten auf (vgl. Meyer, Meyer, Zielke & Hayer, 2013 (2)). Wenn Sportler die Kontrolle über ihr Glücksspielverhalten verlieren und Probleme finanzieller und psychosozialer Art entwickeln sind sie für Spielmanipulationen anfällig. Diese Entwicklung gefährdet nicht nur die Biographien einzelner Personen sondern auch die Integrität des gesamten Sportbetriebs.

1) Vgl. Brosowski, T. & Hayer, T. (2014). Endbericht zur Evaluation des Browsergames „Spielfieber“: Akzeptanz, Effekte und Potential. München: Aktion Jugendschutz Bayern e.V.. Verfügbar unter: http://materialdienst.aj-bayern.de/download/ Evaluation_Spielfieber.pdf

2) Meyer, G., Meyer, J., Zielke, M., & Hayer, T. (2013). Verbreitung von Sportwetten und glücksspielbezogenem Suchtverhalten in Sportvereinen: Eine Pilotstudie. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 92, 189-196.

Motive für die Teilnahme an Glücksspielen

Jugendliche nehmen aus folgenden Gründen an Glücksspielen teil:

  • Erhoffter Geldgewinn
  • Vorbilder/ Modelle
  • Bedürfnis nach Anschluss und Anerkennung (Gruppenzugehörigkeit/ sozialer Status)
  • Neugier, Risikobereitschaft
  • Austesten von Grenzen
  • um Spaß zu haben
  • um Langeweile zu vertreiben
  • um einen bestimmten Zustand zu erreichen
  • um erwachsener zu sein
  • um Probleme zu lösen, zu umgehen, zu vergessen

Besonders relevante Glücksspiele

Folgende Spielarten sind bei Jugendlichen besonders beliebt und zeichnen sich gleichzeitig durch ein hohes Suchtpotential aus:

  • Sportwetten, an denen Jugendliche verstärkt teilnehmen. Hierbei ist ausschlaggebend, dass viele Jugendliche an dem Thema Sport ein starkes Interesse haben, glauben sich gut auszukennen und meinen dadurch auch bei Wetten gute Aussichten auf Gewinne zu haben. Zudem ist der Zugang zu Sportwetten gerade im Internet auch für unter 18-Jährige besonders einfach.
  • Glücksspiele im Internet, die nicht zuletzt durch wirksame Werbebotschaften für Jugendliche sehr attraktiv sind. Poker, Sportwetten und auch Casinospielsimulationen sind je nach Plattform auch für unter 18-Jährige leicht zugänglich. Ein weiteres Merkmal ist die hohe Verfügbarkeit. Im Internet kann 24 Stunden am Tag an Glücksspielen teilgenommen werden, durch den Einsatz mobiler Endgeräte überall.
  • Geldspielautomaten in Spielhallen und gastronomischen Betrieben, welche im öffentlichen Raum (auch für Jugendliche!) sehr präsent sind und einen Großteil der problematischen beziehungsweise pathologischen Spieler generieren.

Ebenso verdienen „Glücksspiele“ ohne Geldeinsatz (z.B. Pokern auf Übungsseiten oder in sozialen Netzwerken, kostenfreie virtuelle Casinos und Glücksspiele im Rahmen von Computerspielen) eine kritische Würdigung. Hierbei werden Kinder und Jugendliche auf Glücksspiele neugierig gemacht und teils auch systematisch herangeführt.

Suchtpotential von Glücksspielen

Folgende Faktoren erhöhen das Suchtpotential von Glücksspielen:

  • Ein breites und leicht zugängliches Angebot von Glücksspielen
  • Eine schnelle Spielabfolge mit schnellen Gewinn- und Verlustentscheidungen
  • Hohe Gewinnmöglichkeiten
  • Das Gefühl, den Spielverlauf steuern zu können
  • „Fast-Gewinne“, die den Eindruck erwecken der Gewinn stehte kurz bevor
  • Ersatzwerteinheiten (z.B. Jetons oder Punkte, welche die Höhe von Gewinn und Verlust verschleiern)

Definition pathologischen Glücksspielens

Im DSM-5 (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen, fünfte Auflage) wurde Pathologisches Glücksspielen in die Gruppe der Abhängigkeitserkrankungen aufgenommen (American Psychiatric Association, 2012). Hier wird Pathologisches Glücksspielen definiert als andauerndes und wiederkehrendes fehlangepasstes Spielverhalten, was sich in zumindest vier der folgenden Merkmale ausdrückt:

  1. Notwendigkeit des Glücksspielens mit immer höheren Einsätzen, um eine gewünschte Erregung zu erreichen.
  2. Unruhe und Reizbarkeit bei dem Versuch, das Glücksspielen einzuschränken
    oder aufzugeben.
  3. Wiederholte erfolglose Versuche, das Glücksspielen zu kontrollieren, einzuschränken oder aufzugeben.
  4. Starke gedankliche Eingenommenheit durch Glücksspiele (z.B. starke Beschäftigung mit gedanklichem Nacherleben vergangener Spielerfahrungen, mit Verhindern oder Planen der nächsten Spielunternehmung, Nachdenken über Wege, Geld zum Glücksspielen zu beschaffen).
  5. Häufiges Glücksspielen in belastenden Gefühlszuständen (z. B. bei Hilflosigkeit, Schuldgefühlen, Angst, depressiver Stimmung).
  6. Rückkehr zum Glücksspielen am nächsten Tag, um Verluste auszugleichen (dem Verlust „hinterherjagen“ [„Chasing“]).
  7. Belügen anderer, um das Ausmaß der Verstrickung mit dem Glücksspiel zu vertuschen.
  8. Gefährdung oder Verlust einer wichtigen Beziehung, eines Arbeitsplatzes, von Ausbildungs- oder Aufstiegschancen aufgrund des Glücksspielens.
  9. Verlassen auf finanzielle Unterstützung durch andere, um die durch das Glücksspielen verursachte finanzielle Notlage zu überwinden.

Als eine schwächere Ausprägung gilt das problematische Spielen. Für diese Form des Glücksspielens liegt keine einheitliche Definition vor.
Aber Achtung: Im Jugendalter auftretende Verhaltensabweichungen können immer auch Ausdruck einer zeitlich begrenzten Entwicklungskrise sein. Um Heranwachsende, die unter Umständen nur eine vorübergehende exzessive Glücksspielnutzung zeigen, nicht unangemessen zu stigmatisieren, sollte man bei diesen lediglich von problematischen Glücksspielern sprechen.

Weiterführende und aktuelle Informationen, Links und Adressen von Beratungsmöglichkeiten in Ihrer Nähe finden Sie auf folgenden Seiten im Internet:

Für Fachkräfte:

Für Jugendliche:

Für die Allgemeinbevölkerung:

Unter folgenden Telefonnummern erhalten Interessierte, Angehörige und Betroffene kostenlos individuelle Beratung und Informationen rund um den Themenbereich Glücksspielsucht:

Hotline der BZgA: 0800 - 137 27 00

Expertenhotline NRW: 0800 - 077 66 11

Telefonberatung in Türkisch: 0800 - 326 47 62

Telefonberatung in Russisch: 0511 - 701 46 64

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